„Dunkelfeldstudien zu dem Thema geben an, dass etwa fünf bis 15 Prozent der sexuellen Gewalt gegen Jungen und männliche Jugendliche von Frauen ausgeht.“
Als Erstes mal was ganz Wichtiges: Es gibt nicht „die Männer“ und „die Frauen“. Abgesehen davon, dass es noch eine Menge Menschen gibt, die sich irgendwo dazwischen oder ganz woanders fühlen, gibt es überall „Solche und Solche“. Merkwürdigerweise sind die Klischees „Mann als Vergewaltiger“ und „Frau als Opfer“ in der #MeToo Diskussion der letzen Woche aber noch immer stark präsent. Deswegen hier mal ein paar Informationen von fachlicher Seite, nämlich Thomas Schlingmann von „Tauwetter“.
Das Verdrängen ist übrigens keineswegs männerspezifisch, und es ist auch nicht so, dass Frauen sich lieber oder leichter als Opfer / Betroffene (an)erkennen würden als Männer. Wie groß die Unterschiede wirklich sind zwischen den Geschlechtern, wenn es um die Verarbeitung des Erlebens von oder um das Ausüben von sexueller Gewalt geht, ist noch sehr unklar. Schlingmann meint aber, es gebe sehr wohl Unterschiede.
Das mag wohl sein. Ich würde mir dennoch ein stärkeres Zusammenstehen der Betroffenen wünschen, und auch derer, die Betroffene unterstützen. Im privaten Bereich klappt das bei mir sehr gut.
Irritierend ist dann, wenn sich Männern als Opfer dieser Dichotomie (Männer Täter, Frauen Opfer) inszenieren und behaupten, die #MeToo-Kampagne diskriminiere sie und geben ihnen als Betroffene zuwenig Raum (hübsch sichtbar in den Kommentaren zur Zeit-Aktion „sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz“, s. hier):
Betroffene Männer, bringt Euch ein! Das tun übrigens unter dem Hashtag #MeToo schon viele. Auch wenn es schwierig und ungewohnt sein mag. Es waren Männer, die 2010 den „Missbrauchs-Tsunami“ auslösten, der doch inzwischen einiges bewirkt hat und das Bewusstsein für das massive Vorhandensein sexueller Gewalt und ihre verheerenden Folgen deutlich verbessert hat. Schlingmann weist darauf übrigens auch hin. Mann kann etwas bewirken und viele Männer tun es auch.
Wie repräsentativ hernach Kommentare sind wie der von Sonja Zekri in der SZ neulich, weiß ich nicht. Hoffentlich nicht sehr. Für die Autorin gibt es missbrauchende Frauen nicht, und Männer sollen sich doch bitte so verhalten wie sie sich in ihrer Familie verhalten, dann wird alles gut. Herrjeh. Nie davon gehört offenbar, dass in den Familien der meiste Missbrauch stattfindet?
http://www.sueddeutsche.de/kultur/missbrauchsvorwuerfe-empoert-euch-richtig-1.3734012
Wie sie dazu kam, sich zum Thema zu äußern, ist nicht klar, eigentlich liegen ihre Arbeitsschwerpunkte woanders. Andererseits zeigt ihr Artikel gerade deswegen vielleicht ganz gut, welche Haltung viele Menschen haben, die vom Thema wenig Ahnung haben.
10. November 2017 um 17:11
Danke für den sachlichen, ausgewogenen Beitrag.
Dazu passt http://www.wienerzeitung.at/meinungen/leitartikel/928046_Es-geht-hier-nicht-um-Sex.html
LG
Angelika Oetken
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12. November 2017 um 12:37
Liebe Angelika Oetken,
danke für den Link. Wäre schön, wenn die folgenden Sätze der Autorin, Frau Belfkih, Gehöhr und Beherzigung fänden.
„Die Welt wäre keine bessere, wenn Frauen alle Machtpositionen innehätten. Wo sich Macht konzentriert, wird sie missbraucht. (. . . ) Um das zu unterbinden, braucht es zusätzlich zur adäquaten Verteilung von Macht auf die Geschlechter auch eine neue Machtkultur. Eine, die Macht als etwas betrachtet, das Schwächere schützt, statt sich auf ihre Kosten selbst erst mächtig zu fühlen. Auch mit Verantwortung sorgsamer und besser umzugehen, ist dafür unabdingbar. Für alle Geschlechter.“
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Pingback: Strukturen des Missbrauchs am Beispiel der Kampagne #metoo – Lotoskraft
14. November 2017 um 14:12
Werter Lotosritter, es freut mich zu lesen, dass Sie mich bzw. meine Beiträge schätzen.
Ich hoffe, Sie sind jetzt nicht schockiert, wenn ich mich hiermit als 1. Journalistin, 2. Feministin und 3. „linksgrün“ (versifft ja eher nicht) oute.
Ich muss auch sagen, dass sich mir gelegentlich die Nackenhaare hochstellen, wenn ich manche Ihrer Ausführungen lese, und zwar auch diejenigen, die ich ja quasi durch Genehmigen Ihres Kommentars reblogge.
Für die teils hoch emotionalen Formulierungen (um es gelinde zu sagen) habe ich noch einigermaßen Verständnis. Ich habe zwar die Hoffnung, dass ich mich einigermaßen sachlich zum Thema Kirche äußern kann, aber mir ist durchaus bewusst, dass ich als Missbrauchsopfer einer katholischen Geistlichen Positionen vertrete, die für sehr viele Menschen ziemlich radikal wirken. Auch wenn ich, wie Sie nicht alle Frauen, nicht alle Pfarrer in einen Topf werfe.
Was ich nicht nachvollziehen kann, ist die Weigerung, sich einzubringen in Diskussionen, unter dem Vorwand, der Kontext sei Männerfeindlich.
Wenn Sie sich den Hashtag #MeToo auf Twitter ansehen, werden Sie da etliche Männer finden, die sich einbrigen, und viele Frauen, die thematisieren, dass auch Männer Opfer von Übergriffen sind. Natürlich muss man sich nicht gerade dort einbringen; ich habe das auch nur indirekt getan.
Aber nur andere zu kritisieren oder den eigenen Opferstatus zu betonen, hilft nicht.
Wenn die Männer, die 2010 den Missbrauchs-Tsunami auslösten, auch so vornehme Zurückhaltung gewahrt hätten, oder sich in ihre Ecke verkrochen hätten, wäre gar nichts passiert, und wir hätten nicht einmal die minimalen Fortschritte und das veränderte Unrechtsbewusstsein, das wir heute immerhin haben. Und die feministische Bewegung hat ihren Erfolg mit vorbereitet. Übrigens haben Frauen kaum eine Rolle gespielt in den auf 2010 folgenden Aufarbeitungsprozessen (im kirchlichen Kontext jedenfalls), obwohl viele es gerne anders gehabt hätten; aber das nur am Rande.
Das bedeutet nicht, das ich finde, alle müssen sich outen oder einbringen. Aber die Vehemenz der Klagen sollte in irgendeinem Verhältnis zur eigenen Bereitschaft stehen, sich irgendwie einzubringen.
Zu behaupten, die Dichothomie zwischen den Geschlechtern werde hautpsächlich von Frauen behauptet und vertieft, ist gewagt und m.E. auch falsch. Es gehört zu ueder konservativen und religiös-fundamentalistischen Ideologie, die Gegensätze zu betonen und einzuhaltende Rollenbilder zu formulieren.
Diese Aussage hier hätte ich gerne belegt: „benennen sie gar noch eine Frau als Täterin, ist ihnen von Männern wie Frauen überwiegend Hohn und Spott sicher“
Das bekommen vor allem Frauen von Männern ab, s.hier:
Und das ist noch harmlos. . .
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