talking about sexual trauma

Our civilizations are traumatized by sexual violence. A poison we should neutralize by talking


Ein Kommentar

Zu den Verletzlichen gehören dürfen

Ich bin empfänglich für den Charme der Serien, die in eine längst vergangene britische High Society einen vermeintlich ruhigen Gang der Dinge, eine Genauigkeit der menschlichen Beziehungen und Kommunikation projizieren, in viel Grün und sanftes Licht getaucht. Coming of Age junger Frauen unter privilegierten Bedingungen, wie sie die wenigsten von uns hatten; Gewalterfahrung gehört strikt nicht zu den Erzählungen. Eine Welt, in der ich die Sehnsucht danach erleben kann, es möge anders gewesen sein, und Träume darüber, wie es gewesen sein könnte.

Verletzlich sein dürfen.

Welch ein Luxus. Mit großen Augen und leisem Neid den Erzählungen von Menschen lauschen, für die Verrat keine Grunderfahrung ist. Das weite Feld von Schmerz, Angst, Wut, die nachvollziehbar, formulierbar und ineinander überführbar und auch wieder aufzulösen sind. Wo die Kommunikation bestehen bleibt und Versöhnung möglich ist. Dieses weite Feld, das bei uns erodiert, karg und kahl ist, zumindest unterm Gras, das mittlerweile wieder darüber gewachsen sein mag. Selbstverständlich haben wir das alles mittlerweile trainiert: Gefühle erkennen, annehmen, einordnen und so kommunizieren, dass es die Beziehung nicht strapaziert, sondern lebendig hält.

In Beziehung bleiben. Auch wenn die Gefühle Schmerz, Zorn, Angst da sein mögen – vertrauen, dass das weder uns selbst noch die Beziehung zum oder zur anderen schädigt. Oder vielmehr: So tun, so handeln und kommunizieren, als würden wir darauf vertrauen.

Das ist natürlich auch Selbstverrat: Wie und warum sollten wir darauf vertrauen? Unsere Erfahrungen sind ja andere. Wir mussten vor Schmerz aus der Haut fahren und unseren Körper verlassen, für Wut wurden wir mit Ausschluss bestraft, Angst und Terror mussten wir irgendwo einsperren, tief, um weiterleben zu können.

Wir sind nicht geistesgegenwärtig, gelassen bei uns selbst, wenn wir in Konflikten sind. Unserer Erfahrung nach können wir nicht auf Nachsicht, Verständnis, Mitmenschlichkeit hoffen. Und schon gar nicht darauf, dass uns jemand in unserer Not sieht. Wir sind vor den Hunden gegangen.

Sexuelle Gewalt ist mir in diesen Serien nicht begegnet. Das ist mir ja auch recht. Ich schaue sie mir an und fühle mich wie eine Außerirdische. Oder eine Jurtenbewohnerin, die eine Kathedrale betritt, zuverlässiges, gepflegtes Gemäuer, einschüchternd.

Die idealisierte britische High Society (hier: Downtown Abbey) wird mit Traumata immerhin im Zusammenhag mit dem Krieg konfrontiert: „Shellshock“. Eine der Hauptpersonen sagt etwas, das sich viele Überlebende leider immer wieder denken: Wir Schwerverletzten und Verstümmelten, leider haben wir keine Kugel abbekommen, die uns sauber aus dem Leben befördert hat. Wir müssen weiterleben, so schwer es sein mag. Und der Vorgesetzte dieses einen Bombenangriff Überlebenden sagt das genau so: Ihre Gebete wurden nicht erhört, sie möchten wenn denn getroffen werden, dann so, dass sie nicht überleben. Bei einem anständigen, unterhaltsamen Krimi, sind die Opfer schließlich auch tot.

Die Dienstboten der Serie legen überwiegend weniger dieses brutalen Pragmatismus an den Tag. Selbst machtlos, dürfen sie Mitgefühl haben; selbst getroffen sein durch tote, traumatisierte Angehörige. „Du bist nicht der einzige Verletzte, der hier herumläuft“, weist seine Vorgesetzte einen der Kriegsrückkehrer zurecht. Aber er, der einzige als Person präsente Überlebende, wird später mit zwei Monaten Lohnfortzahlung entlassen. Wenn es ihm besser gehen, er wieder Arbeit suchen können sollte, darf er auf ein gutes Zeugnis hoffen, trotz allem.

In der Zwischenzeit gibt es einmal in der Woche eine Suppenküche.

Zerstörung, Angst, Horror brechen zwar durch den Krieg auch in die Upper Class ein, aber nur gedämpft. Das Schloss nimmt eine Art Reha-Klinik für Offziere auf – es kommen also zum Einen die Privilegierten und zum anderen die schon einigermaßen wieder Zusammengeflickten. Den erwachsenen Töchtern der Familie, die sich erklärtermaßen etwas langweilen, gereicht das zur ersehnten Emanzipation. Die Traktor fahrende der höheren Töchter mutiert leider bald zur Rollenerwartungen erfüllenden Krankenschwester.

Jedenfalls stört das keineswegs das zelebrierte Gefühl von füreinander da sein und das Akzeptieren menschlicher Schwächen allenthalben. Die Härten der Hierarchien bleiben weichgezeichnet; keine Spur der schonungslosen Innensicht des Kazuo Ishiguro auf die seelischen Verformungen durch Unterwerfung bei einem englischen Butler („was vom Tage übrig blieb“). Der Patriarch ist integer und mitfühlend, durch Argumente zu überzeugen, kein Unmensch, der andere unterdrückt, um seine privilegierte Stellung zu erhalten. Es gibt ein paar renitente Dienstboten, aber derjenige, der Marx liest, ist ein politisch nicht organisierter Hitzkopf, der von den Kolleginnen schnell unschädlich gemacht wird.

Gegen tröstliche Märchen ist nichts einzuwenden.

Es ist aber auch nicht so, dass sie helfen, mich weniger fremd zu fühlen.

Nicht schön ist auch die Mischung aus Neid und Verachtung für die kleinen Sorgen, die in mir aufsteigt. Für die Aufs und Abs, das Alles in Allem Aufgehobensein in einer familiären und gesellschaftlichen Struktur. Und die Scham über das Fremdsein und den Neid und die Verachtung. Am Ende fliegt er ja auch raus, der Traumatisierte mit seinen Alpträumen und seinem nächtlichen Geschrei.

Bei allem Verständnis.