talking about sexual trauma

Our civilizations are traumatized by sexual violence. A poison we should neutralize by talking

An den Ettaler Abt Barnabas, der für die in den Kellern seiner Abtei Gefoltereten außer einem „Heilgespräch“ nichts übrig hat

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Schön, dass wieder ein Mythos aufgeklärt wurde: Die „vorbildliche“ Aufarbeitung von Missbrauch im Kloster Ettal. Irgendwie wurden die Kellergeschosse wohl ausgespart? Wir wissen es nicht, denn der Bericht wurde nie veröffentlicht. Was allein daran vorbildlich sein soll, erschließt sich mir nicht. Vielleicht ist vorbildlicher, dass die Opfer selbst sich als „zufrieden“ erklären, zumindest die, die sich öffentlich äußern. Man munkelt, der Berichterstatter und der Auftraggeber seien mittlerweile befreundet und hätten so manchen Urlaub miteinander verbracht; s. hier:

@spiegelstelle „Prof. Heiner Keupp berichtete 2019 auf einer Tagung in Berlin, er habe sich mit Barnabas Bögle befreundet. Die Benediktinerabtei #Ettal kann man nicht losgelöst von #Münsterschwarzach und #MariaLaach betrachten. Es handelt sich um ein Netzwerk von Ordensleuten und Laien.“

Aber gut: Honni soit qui mal y pense.

Wir wissen jetzt wie auch immer, dass da was Wichtiges fehlte, das Schlimmste und Verwerflichste (zufällig?), also muss man wohl von vorne anfangen. Gehen wir davon aus, dass es fehlte, weil es nicht vorstellbar war. Wie auch immer; Abt Barnabas ist Opfern und Öffentlichkeit etwas schuldig. Bisher scheint er es schuldig bleiben zu wollen; er wird, wie Kardinal Marx es ausdrückt, für die Kirche überhaupt, Hilfe von außen brauchen, denn: Er kann es nicht.

Die verschacherten und gefolterten Heimkinder haben Menschen, die sie unterstützen; denn das brauchen wir Missbrauchs-Überlebenden, wenn wir uns mit der Täter-Institution auseinander setzen; deswegen vernetzen wir uns auch. Die Gefahr der Retraumatisierung ist so groß. Einer dieser Unterstützer hat Abt Barnabas folgenden Brief geschrieben, den ich hier dokumentiere.

Sehr geehrter Abt Barnabas, Sie haben auf mein unten platziertes Mail vom 26. Juli des Jahres nicht reagiert. Auch auf weitere Aufforderungen zu antworten sind Sie nicht eingegangen. Unsere Recherchegruppe, bestehend aus Jörg Jagers und mir, hatte Ihnen außerdem das Angebot gemacht, die von uns erarbeiteten und recherchierten Materialien zu den Missbräuchen an Heimkindern, die in den Klosterkellern geschahen,  vorzulegen. Auch darauf erfolgte keine Reaktion. Damit haben Sie entschieden, dass dieses Mail nun seinen Weg in die Öffentlichkeit nimmt.

Mit freundlichen Grüßen
Vladimir Kadavy 


Sehr geehrter Abt Barnabas,

am Montag, nach dem Erscheinen des Buch-2-Beitrages in der SZ vom 30.1.2021 suchten Sie über Jörg Jaegers Kontakt zu unserer Gruppe. Zustande kam am Dienstag Nachmittag, dem 2. Februar,  ein kurzes  Telefonat von fünf Minuten, Ihre Worte dabei sind in etwa so zu resümieren:

Wenn die Betroffenen sich vorstellen könnten, dass von einem Gespräch mit Ihnen eine für sie  heilende Wirkung ausgeht, dann seien Sie zu diesem Gespräch bereit.

Sie machen die Wirkung dessen, was Sie „Heilung“ nennen, vom guten Willen und der Bereitschaft der zu Heilenden abhängig.  Die in Ettals Kellern Missbrauchten und Gefolterten bedürfen der Heilung, die Sie anbieten. Ein großartiger, von Demut zeugender Gedanke: Der gute Wille der Opfer und der Glaube an Ihre heilenden Worte führen zum happy ending. Ich war zunächst baff und ließ mir von Herrn Jaegers  nochmals den Wortlaut bestätigen.

Weitere Punkte, die Herr Jaegers noch ansprechen wollte, waren nicht zu besprechen.
Sie haben  Ihre Botschaft  verkündet und beendeten das Gespräch. Ein weiter führender Dialog und Meinungstausch lag wohl nicht in Ihrer Absicht.

Sie sind sich offenbar nicht darüber im Klaren, wie Ihr Heilungsangebot bei bei den drei Missbrauchten angekommen ist. Warum in einem Klosterkeller gefolterte und getriggerte Menschen  Energie und den Willen und Bereitschaft mobilisieren sollen, sich der heilenden  Wirkung Ihrer Worte zu überlassen, bleibt Ihr Geheimnis. Ich gratuliere Ihnen zu dem starken Glauben an die Kraft Ihrer Worte. Die  Empörung, die sie angesichts eines solchen Angebots verspürten, können Sie wohl nicht nachvollziehen. Es sei denn, es war anders und Sie wollten nur provozieren.

Zumindest stellt sich noch eine grundsätzliche, tiefgründigere Frage: Kann man Menschen, die an Selbstüberhöhung und/oder  Hybris der Demut leiden, ebenfalls einer heilenden Wirkung zuführen? Verwirrt die frische  Bergluft die Wahrnehmung oder führt sie in lichte Höhen, denen andere nicht folgen wollen? Anders gefragt: Brauchen Sie nicht selber Beistand?

Seit Februar sind Sie auf Tauchstation, von Ihnen keine Impulse. Der Verdacht  verstärkt sich:  Sie reagieren nicht, Sie wollen es aussitzen. Stattdessen verbreiten Sie, verführt von Ihrem  Wahrnehmungsbedürfnis,  erstaunliche Ansichten über die Interessen unserer Gruppe, darunter die Behauptung, es gehe uns nur um den schnöden Mammon.

Mit dieser Behauptung haben Sie nur ins Blaue gezielt, aber nicht ins Schwarze getroffen. Die  Rolle des Geldes in dieser causa  einzuschätzen überlassen Sie uns, gegen Ihre öffentlichen  Spekulationen dazu verwahren wir uns.

Sie ermessen nicht die Überlebensinteressen  einiger, die fünf Jahre oder länger andauernde  sexuelle und physische Exzesse des benediktinischen Personals und anderer Täter wie durch ein Wunder überlebt haben. Wir reden von den drei uns bekannten Überlebenden, deren Schicksal wir dokumentiert haben. Von den anderen, die außerdem noch in den Ettaler  Klosterverliesen gefangen, sexuell und physisch missbraucht wurden und inzwischen verstorben sind, ganz zu schweigen.  Oder denen, die noch so traumatisiert sind und neben sich stehen (man nennt es: dissoziiert sind) und sich nicht melden werden. Mit entsprechender Abrichtung und Zuarbeitung des Paritätischen Heimpersonals und transportierender Nonnen haben sich Mönche Ihres Klosters in den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in schändlicher Weise an diesen drei und noch anderen vergangen. Ein Gemeinschaftswerk, eine  Kooperation zwischen weltlicher und kirchlicher Institution zur Vermehrung von Geld und Lust. Immer wenn die Kloster-Zöglinge nicht verfügbar waren, wurden Heimkinder herbeigeschafft, übrigens nicht nur während der Ferien. Gerne auch zu hohen christlichen Feiertagen.

Stattdessen wollen Sie  die Überlebenden mit Ihrem Segen erquicken und, ganz entscheidend, bevor Gespräche stattfinden, wollen Sie vorab mit ihnen ein Friedensfest feiern: Heile heile Segen. Wie im Kinderreim. Lasset uns von Eurer Versöhnung mit Uns sprechen, bevor wir Euch Teilhabe an Unserer Verantwortung und  Schuld gewähren. Denn unser Eingeständnis an Schuld und Verantwortung ist Gnade. Seid dankbar. Ist Ihnen nicht bewusst, dass es ankommt wie ein christlicher Reflex zur Vermeidung von größeren Ausgaben?

Sind die Opfer eingestimmt worden, verstärkt dies den Segen und schont die Kassen. So die benediktinische Kalkulation: Kinder schänden, Zeit schinden, Kassen schonen – geht nur mit Versöhnungskonzil.

Weiteres zu Ihrem Verdacht, es gehe ums Geld. Die Sache mit dem  Mammon bedarf weiter gehender Klärung.

Dabei und zunächst spielt das Wieviel durchaus eine Rolle. Diesmal geht es nicht um die Söhne der bayerischen Eliten, deren spätere Biografien von den mönchischen Abartigkeiten zur Genüge determiniert waren, Sie kennen ja die IPP-Studie und das der Studie vorausgegangene Buch der beiden SZ-Autoren Stadler und Obermeyer  („Bruder, was hast du getan?“). Die Exettaler, missbraucht und gedemütigt und gezeichnet für den Rest ihres Lebens, aber ganz anders aufgefangen und eingebettet, sind meist  gestützt durch Abstammung, Wohlstand und Privilegien ihrer Familien. Davon kann im Falle der Heimkinder aus Feldafing keine Rede sein. Die treiben alleine durchs All und konnten durch Jaegers und mich zumindest ihre Sprachlosigkeit überwinden.

Die  finanzielle Leistung des Klosters an seine ehemaligen Internatszöglinge hat meinem Empfinden nach bestenfalls symbolischen Charakter. Die gezahlten Beträge (je 7000,— €? Oder auch weniger?) drücken diesen Symbolismus adäquat aus.

Dass das Kloster diesmal  in einer anderen Verantwortung steckt, die zumindest finanziell  über den oben geschilderten Symbolgehalt  hinaus reicht, ließe sich ohne Mediatoren  vermitteln. Dass unbeschadet der Höhe des geleisteten Betrages eine Versöhnungserwartung aber  nicht bedient werden  kann: Diese  Kröte müssen Sie schlucken. Auch wenn Sie persönlich keine Schuld haben, als Abt tragen Sie Verantwortung. Das Kloster soll zahlen, basta. Keine Zahlungsbedingungen. Keine Umarmungen vor Kameras. Keine Instrumentalisierung der Interessen der Täterorganisation durch die Medien. Punkt. Es gibt vergebungslose Taten. Trost möge man sich bei Gott holen, nicht bei den Opfern. Das ist stillos.

Ich erwarte von Ihnen eine zeitnahe Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Vladimir Kadavy

PS: Für die Werbung unter dem Artikel bitte ich um Entschuldigung – ich kann sie nicht abstellen und verdiene auch nichts an ihr.

4 Kommentare zu “An den Ettaler Abt Barnabas, der für die in den Kellern seiner Abtei Gefoltereten außer einem „Heilgespräch“ nichts übrig hat

  1. Die Kirche findet wohl kein anderes Handlungsmuster. Umso dankbarer bin ich für diesen Gegenwind, der gerne auch zum Sturm werden darf.

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  2. Barnabas Bögle, der mit bürgerlichem Vornamen Thomas heißt, Jahrgang 1957, selbst Schüler an der Klosterschule Ettal, war während seiner Schulzeit selbstverständlich Zeuge der Alltäglichkeit von Gewalt, Demütigung bis hin zu sex. motivierten Übergriffen auf die Jungen und Jugendlichen, vermutlich sogar selbst davon betroffen. Ob andere und er damals, in den 60er-/70er-Jahren, sofern die Schilderungen der mutmaßlichen OpferzeugInnen der Wahrheit entsprechen, bemerkten oder davon erfuhren, dass in den Ferien und an Feiertagen im Keller des Gebäudes Kinder und Jugendliche sadistisch gefoltert und sex. missbraucht wurden, ist fraglich. Allenfalls wird es Gerüchte gegeben haben, denn in den Ferien und an Feiertagen waren die Schüler nicht im Internat, der Schulbetrieb ruhte.

    Aber später, als Thomas Bögle nach seinem Abitur Benediktinermönch wurde, studierte, die Priesterweihe erhielt, als Lehrer arbeitete, schließlich 2005 zum Abt des Ordens gewählt wurde, dürfte er reichlich Gelegenheit gehabt haben, zu erfahren, auf welche Weise ein Teil seiner älteren Mitbrüder, deren Verbündete, darunter Ordensschwestern und Laien, im Keller der Klosterabtei ihre sexuellen Perversionen an ihnen ausgelieferten Kindern und Jugendlichen auslebten – sollten die Medienberichte wahrhaftig sein. Möglicherweise wurden die behaupteten Sexualfolterungen sogar fotografiert und/oder gefilmt. Priester und Ordensfrauen gehörten zu den ersten Personengruppen, die sich Foto- und Filmkameras leisteten, meist für harmlose Aufnahmen, manchmal, um Missbrauchsabbildungen/Kinderpornografie herzustellen. Einige hatten sogar eigene Labore, wie z.B. Chefmissbraucher Ludger Stüper SJ, der viele Jahrzehnte das Aloisiuskolleg Bonn Bad Godesberg leitete und Millionen von Fotos erstellt haben muss, die heute als Kinder- /Jugendpornografie gelten würden. Auch Filme sollen Stüper und Mittäter gedreht haben.

    Wie andere TäterInnen auch, stellen missbrauchende Priester und Ordensfrauen das Material für die eigene Nutzung her, zum Tausch, gegen Entgeld, um Dritten Opfer zum Zwecke der sex. Ausbeutung anzubieten, sich dadurch Vorteile zu verschaffen oder eben diese Personen zu erpressen. An dieser Stelle könnten die verstärkten Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft in unserem Land (Cyberkriminalität) noch Einiges zu Tage fördern. Denn viele der den sex. Missbrauch von Kindern und Jugendlichen darstellenden Aufnahmen die im Netz kursieren, sind älter, teils vor Jahrzehnten produziert. Und für solche Kellerfolterszenen, wie sie in Ettal vollzogen worden sein sollen, gibt es zahlreiche InteressentInnen. Möglicherweise wird auf diese Weise auch heute noch hier und da ein Täter, eine Täterin längst vergangener Missbrauchsverbrechen identifiziert. Denn die kriminalistischen Möglichkeiten sind gestiegen. Anhand von Kleidungsstücken, Schmuck oder körperlichen Merkmalen kann man TäterInnen auf solchem verbotenen pornografischen Material auch dann erkennen, wenn deren Gesicht nicht zu sehen oder durch eine Maske verdeckt ist.

    Man sollte zudem damit rechnen, dass die Sexualfolter von Heimkindern, sollten sich die Berichte bewahrheiten, in Ettal/Oberammergau bis in die 90er-Jahre hinein vollzogen wurde – oder darüber hinaus. Denn bedingt durch den Zerfall des Ostblocks mussten kirchliche und weltliche MissbrauchstäterInnen von Rang fürchten, durch die Wirren und die Neuordnung der Fronten und Verbünde könnte auch Material in die Öffentlichkeit kommt, das man vorher allenfalls zum Anfüttern und zur Erpressung von Menschen genutzt hatte, die real ausführen, wovon Andere allenfalls phantasieren – sadistische Impulse, gerichtet auf Kinder und Jugendliche. Man schloss also kirchlicherseits die Einrichtungen, welche schon aufgefallen waren oder beendete dort den Organisierten Missbrauch, verlegte ihn aber woanders hin. Oft ins Ausland (Missionsorden!), manchmal betrieb man ihn aber andernorts im Inland weiter.

    Insofern: Barnabas (Thomas) Bögle wäre nie Abt eines stinkreichen und super vernetzten Ordens geworden, hätten sich seine Mitbrüder nicht darauf verlassen können, dass er so ragiert, wie er reagiert hat. Wie es aussieht, hat er dabei buchstäblich Haut und Haar eingesetzt, wenn nicht sogar riskiert. Thomas Bögles Ruhestand könnte also turbulenter verlaufen, als er sich das vermutlich gedacht hatte.

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  3. Pingback: Systemic Child Abuse and Organised Church Criminality in the Catholic orders and their smokescreens and hidden reality in every monastery – Countess Sigrid von Galen

  4. Dieselben Muster fuer den systemischen Kindesmissbrauch und weiterer organisierter Vatikankriminalitaet werden nun immer staerker und schneller ueberall auf der Welt sichtbar. Kloester sind alles andere als Plaetze von Spiritualitaet. Sie sind Orte von illegalen Experimenten, Folter, faschistischen Para-Militaerischen Black Ops, Geheimdienstaktivitaeten und organisierter Kriminalitaet. Charities sind Organisationen, die in diese Unterwelt eingebettet sind, oft mit staatlicher Unterstuetzung, wobei die erpressbaren Politiker ihre Haende in Deniability mit dem Blut von den Opfern waschen. Solange Kirchen immer noch Sonderstatus haben, gilt es, sie oeffentlich mit Namen und Fakten an den guten alten Pranger zu stellen. Es waere ja nicht das erste Mal, dass Buerger, die genug haben von den Verbrechen der Kirche, die Kirchen, Kloester und Kathedralen von Papst durch alle Raenge bis Diakon und Nonnen und auch Laien aus den Orten des Schreckens zu verjagen. Sack und Asche sind anscheinend zu rauh fuer die Taeterkreise. Es wird Zeit, dass sie die Eiseskaelte, die sie ihren Opfern entgegenbringen, selber spueren zu lassen durch die Fakten aus geheimgehaltenen, aber nicht mehr laenger verschlossenen unter zu viel Wein ausgeschuetteten und ausgeflossenen Akten …

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