talking about sexual trauma

Our civilizations are traumatized by sexual violence. A poison we should neutralize by talking

Die Aufarbeitungs-Kommission hat Eigenbedarf an Aufarbeitung

6 Kommentare

Ich freue mich sehr, dass die Autorin und Publizistin Martha Schalleck sich die Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs genauer angesehen hat, und ihre Bedenken in einem Brief formuliert hat. Dieser ist nachstehend hier zu lesen. Schalleck zitiert u.a. aus den Schriften eines der Mitglieder, Peer Briken, der sich bisher vor allem durch Arbeit mit Tätern ausgezeichnet hat (dass diese wichtig ist, wird nicht in Abrede gestellt).

Ich veröffentlich diesen Brief hier auch, weil ich schon ein diffuses Unbehagen hatte, als ich neugierdehalber in Schriften von Frau Andresen stöberte  (auch Mitglied der Kommission) – ich fand da eine merkwürdige „Vorsicht“ klaren Aussagen gegenüber (ich formuliere zurückhaltend). Scheren im Kopf, von denen ich starke Vermutungen habe, woher sie kommen: Dem Einfluss der „Reformpädagogik“ – ich benutze das Wort ja nur noch in Anführungszeichen (Stichwort Odenwaldschule).
Die Mahnungen des Erziehungswissenschaftlers Micha Brumlik, der schon mehrfach eine Aufarbeitung in seinem eigenen Fach forderte, blieben offenbar bisher erfolglos. Vielleicht trägt ja Schallecks offener Brief dazu bei, diese voranzutreiben.

Bevor man sich als Aufklärer betätigt, sollte man sich die eigenen Verflechtungen mit pädokriminellem Gedanken-Gut ansehen.

Weiter zum offenen Brief: 

Offener Brief an die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs

Verharmlosung im Programm? Anmeldung von Klärungsbedarf.

Sehr geehrte Damen und Herren der Kommission,

als Überlebende sexuellen Missbrauchs und Sachbuchautorin bin ich außerordentlich dankbar für die Aufarbeitungskom­mission des Bundes und die Gelegenheit, gehört zu werden. – Misstrauisch wie mich das Leben nun einmal gemacht hat, habe ich dennoch ein bisschen über die Mitglieder dieser Kommission re­cherchiert.

Die Kommission macht auf den ersten Blick einen vorbildlichen Ein­druck. Viele der Mitglieder haben sich um den Kampf gegen sexuellen Missbrauch und für soziale Gerechtigkeit verdient gemacht. Ein per­sönliches Highlight für mich ist Barbara Kavemann. Ihr Buch „Väter als Täter“ kam zu einer Zeit heraus, da man in diversen Parteien noch daran arbei­tete, sexuellen Missbrauch am besten ganz von der Strafbarkeit zu be­freien, und es war eines der ersten Bücher zum Thema, das ich gele­sen habe.

Als nächstes fiel mir aber eine Fachperson in der Kommission ins Auge, die nie politisch oder mit Opfern gearbeitet hat, sondern mit Tätern: Peer Briken. Die Arbeit mit Tätern ist natürlich wichtig, das würde ich nie in Frage stellen wollen, im Gegenteil – und dennoch stößt es mir gleich ein bisschen auf. Ich dachte, hier sollen die Opfer zu Wort kommen. Und wer mit Tä­tern arbeitet, muss natürlich mehr Verständnis für diese zeigen als Überlebende manchmal ertragen können.

Ich suche also nach Veröffentlichungen von Peer Briken zur Opfer­perspektive. Im „Forum Online“ Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä­rung (BZgA), 2010, Ausgabe 3, findet sich ein Artikel von Briken und der Psychoanalytikerin Hertha Richter-Appelt. Beide Autoren sind in der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung engagiert. Der Titel des Artikels lautet schlicht: „Sexueller Missbrauch – Betroffene und Täter“ (https://forum.sexualaufklaerung.de/index.php?docid=1355)

Der Artikel beginnt mit der Forderung, in der Diskussion um sexuel­len Missbrauch auch die Seite des Kindes im Auge zu behalten. Das mutet etwas merkwürdig an, denn geht es in der ganzen Dis­kussion nicht letztlich immer um die Seite des Kindes?

Im Text finde ich dann eine ganze Reihe von irritierenden Äußerun­gen. So wird davon gesprochen, dass es sich bei sexuellem Miss­brauch um eine potenziell traumatisierende Situation handele, die u.a. auch in positive Beziehungsaspekte eingebettet sei. Es sei Miss­brauch aufgedeckt worden, ohne zu bedenken, welche Folgen diese Aufdeckung für die betroffenen Kinder haben könnte. Es sei außer­dem ganz entscheidend, dass ein und dieselbe Straftat zu ganz un­terschiedlichen Folgen führen könne.

Es heißt auch, dass nicht nur sexuelle Handlungen zu einer „Trauma­tisierung der Sexualität“ führen könnten. Hierzu wird noch ange­merkt: „Diese ergänzenden Aspekte spielen jedoch in der modernen Straf­gesetzgebung und der sogenannten Missbrauchsdiskussion prak­tisch keine Rolle.“ Und die Autoren beklagen: „In letzter Zeit wird oft jede Form eines sexuellen Übergriffs als Gewaltanwendung bezeich­net. Dies differenziert jedoch zu wenig den großen Unterschied zwi­schen »zärtlich« erscheinenden und mit groben Verletzungen ein­hergehenden Grenzüberschreitungen.“ Die Reaktion auf die Erwach­senensexualität führe „in manchen Fällen zu Neugierde (z.B. für das männliche Genitale als Folge einer Begegnung mit einem Exhibitio­nisten), manchmal sogar zu einem sehr ausgeprägten Interesse für Sexualität.“

Solche Äußerungen sind mir leider aus verschiedenen und ganz anderen Zusammenhängen als denen der Hilfe für Opfer allzu bekannt.

Auf den folgenden zwei Seiten gebe ich einige Absätze aus dem Arti­kel ungekürzt wieder. Sie enthalten eine Fülle von irritierendem Material, das für sich selbst sprechen und an dieser Stelle nicht im Einzelnen diskutiert werden soll:

„Die sichtbare sexuelle Erregung (nicht gleichzusetzen mit subjektiv empfundener Lust) des Kindes kann wiederum zu einer sexuellen Erregung des Erwachsenen führen. In der Missbrauchssituation kann also eine Wechselwirkung zwi­schen kindlicher Erregung und sexueller Erregung beim Er­wachsenen entstehen. Die Beschreibung einer Missbrauchs­situation sollte sich nicht ausschließlich auf die »Befriedi­gung der Bedürfnisse des Mächtigeren« beschränken, da dann das sexuelle Erleben des Kindes unberücksichtigt bleibt. Gleichwohl können aber Kinder in einer für sie trau­matisierenden Situation durchaus auch eigene Bedürfnisse befriedigen. Früher wurde oft behauptet, ein sexuell impo­tenter Mann könne nicht sexuell missbrauchen, da er ja nicht sexuell erregt werden könne. Er kann aber dennoch traumatisierend mit einem Kind umgehen. Die Argumenta­tion macht deutlich, wie wichtig es ist, die Seite des Kindes im Auge zu behalten.“ […]

„Während die Beschäftigung mit sexueller Stimulierung durch erwachsene, meist männliche Personen im Bereich der Sexualstraftaten und in der Psychotherapie eine wich­tige Rolle spielt, wissen wir relativ wenig über das Problem der Über- (und Unter-)stimulierung im Genitalbereich bei der Erziehung kleiner Kinder, die noch keine Sprache erlangt haben. Es gilt als allgemein anerkannt, dass das Gedächtnis nicht erst mit dem Spracherwerb einsetzt, sondern bereits lange vor der Fähigkeit Dinge zu benennen. Es gibt somit ein vor sprachliches und ein Körpergedächtnis. Untersuchungen der Säuglingsforschung haben in diesem Punkt die Annahme der Psychoanalyse, dass Entwicklungsprozesse, die vor dem Spracherwerb stattfinden, die psychosexuelle Entwicklung beeinflussen, bestätigt (Dornes 1993). Die Traumatisierung der Sexualität kann somit bereits vor dem bewussten Erle­ben von Körpervorgängen stattfinden. Bei regelmäßiger Überstimulierung wird ein Kind in dem Moment, in dem es bewusst die Körpervorgänge wahrnimmt, Überstimulierung und Übererregbarkeit nicht als etwas Ungewöhnliches erle­ben, da es diese immer schon erfahren hat. Diese Kinder können später beispielsweise ein suchtartiges Verlangen nach sexueller Erregung (z.B. dranghaftes Masturbieren etc.) entwickeln.“ […]

„Obwohl es sich bei der Traumatisierung der Sexualität nicht immer um sexuellen Missbrauch handelt, soll diese hier Er­wähnung finden. In der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre spielte die Angst vor einer unkontrollierten, impulsar­tigen »perversen« männlichen Sexualität eine zentrale Rolle. Wenig Berücksichtigung fanden Aspekte der psychosexuel­len Entwicklung, die zu einer Störung der Sexualität durch Unterdrückung, Bestrafung führen. Frauen als »Täterinnen« im Rahmen der Erziehung spielen sicherlich hier eine be­deutsame Rolle.“ […]

„Im Zusammenhang mit der Diskussion um den sexuellen Missbrauch wurde immer wieder die Notwendigkeit betont, wie wichtig es sei, unerkannten sexuellen Missbrauch auf­zudecken, oft auch ohne zu reflektieren, welche Konsequen­zen das Aufdecken eines Missbrauchs für das betroffene Kind selbst haben könnte. Folgt man der Missbrauchsdiskus­sion, lauert hinter allen möglichen Ereignissen und Situatio­nen die gefährliche, meist männliche Sexualität. Es kann sich aber auch eine übertriebene Angst von Erziehern vor kör­perlicher Berührung von Kindern im Genitalbereich oder die Bestrafung von Selbstbefriedigung oder Doktorspielen im Kindesalter negativ auswirken.“ […]

„Diese Ausführungen machen deutlich wie eingeschränkt unsere Sichtweise sexueller Traumatisierungen ist, wenn wir uns nur auf den sexuellen Missbrauch beschränken. Bestra­fungen und Verbote fallen nicht darunter und werden, wenn überhaupt, wegen der körperlichen Züchtigung, nicht wegen der Traumatisierung der Sexualität bestraft.“ […]

„Gleichzeitig erleben wir gerade gegenwärtig eine Zeit, in der wir Gefahr laufen, im Umgang mit Sexualität sehr schnell Übergriffiges, Verwahrlostes oder Gefährliches wahrzuneh­men. Dieses Spannungsverhältnisses zwischen notwendiger Verantwortung und Entdramatisierung sollten sich insbe­sondere die professionell mit Betroffenen und Tätern Um­gehenden immer bewusst sein.“

Wie gesagt möchte ich hier nicht alle für mich unangenehmen Aussagen  kommentieren.  Ich hoffe, dass Sie auch so Verständnis für meine Bitte an Herrn Briken haben, darzulegen, was genau vor dem Hinter­grund dieses Artikels seine Gründe und Ziele für die Mitarbeit in der Kommission sind. Unter dem von ihm genannten Ziel: „die Strukturen für Beratung und Therapie von Betroffenen zu verbessern„, kann man sich angesichts dieses Artikels durchaus Unter­schied­liches vorstellen. Eine klare Positionierung zur Kampagne „Miss­brauch­-mit-dem-Missbrauch“ wäre ebenfalls wünschenswert.

Was auch immer die Zusammenhänge an dieser Stelle sind, leider musste ich in der Vergangenheit feststellen, dass sich Missbrauch verharmlosende und ver­leug­nende Mindermeinungen an wichtigen Stellen in unserer Gesell­schaft durchsetzten. So sind bei der Beur­teilung von Vorwürfen wegen sexuellen Missbrauchs vor Ge­richt und in der Presse als Folge der „Missbrauch-mit-dem-Missbrauch“-Bewegung die Erkenntnisse der Traumaforschung  unterrepräsen­tiert. Oft findet nicht einmal im Ansatz eine Auseinander­setzung mit ihnen statt, sondern es werden Helfer und Opfer pauschal abqualifi­ziert. Wie im Artikel von Briken fällt regelmäßig der Vorwurf der Hysterie, der Verteufelung männlicher Sexualität, des Verwech­selns eigener Ängste und Fantasien mit realen Übergriffen.

Ein Urteil des BGH aus dem Jahr 1999 hat den Ausschluss der Traumaposition aus juristischen Verfahren dann in Stein gemeißelt – und damit einen Wunschtraum für viele Täter wahr werden lassen. Von den verschiedenen wissen­schaftlichen Disziplinen, die sich mit den Folgen sexuellen Miss­brauchs befassen, wurde zu diesem Urteil keine einzige gehört. Lediglich die Disziplin der „Aussagepsycholo­gie“, deren Erkenntnisse für Fragen des sexuellen Missbrauchs natur­gemäß nur von unterge­ordneter Bedeutung sein können, wurde gehört und fand ihren Nie­derschlag im Urteil.

Und dieses Urteil kann in seiner Bedeutung überhaupt nicht hoch genug bewertet werden. Seitdem empfehlen Anwälte den Op­fern häufiger, erst gar nichts zu versuchen, oft lohnt es nicht ein­mal ei­nen Antrag auf Opferentschädigung zur Therapiefinanzierung zu stellen. Schlimmer noch: Betroffene Kinder aus laufenden Miss­brauchsverhältnissen zu befreien, erweist sich immer wieder als schier unmöglich.

Gerade an dieser Stelle gäbe es den vielleicht wichtigsten Aufarbei­tungs­bedarf für die Kommission, damit sich endlich das vorhandene Wissen auch gesellschaftlich in der realen Möglichkeit, Kinder vor Missbrauch schützen zu können, nieder­schlagen könnte.

Weiterhin ist zu bedauern, dass neben den Autoren des kritisierten Artikels eine ganze Reihe von Einrichtungen, so auch diverse Par­tei­en, so auch die Sexualwissenschaft eine klare Neudefinition sexu­el­len Missbrauchs unter Berücksichtigung der Traumaposition ver­mis­sen lassen – von einer Aufarbeitung vergangener „pädophilen­freundli­cher“ Positionen mit ihren schrecklichen Folgen ganz zu schweigen. Der Artikel findet sich schließlich nicht irgendwo, sondern auf einer Aufklärungsseite des Bundes.

Was tun?

Der Artikel zeigt Klärungsbedarf auf. Einige Beispiele für zu beant­wortende Fragen, die sich daraus stellen:

  • Müssen wir mehr als bisher reflektieren, welche Folgen die Aufdeckung eines sexuellen Missbrauchs für die betroffenen Kinder hat?
  • Gibt es das: Eine sexuelle Unterstimulierung von Kindern?
  • Kann man sexuellen Missbrauch auch als „zu große körperli­che Nähe“ bezeichnen? Gibt es Kinder und Situationen, da Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen vielleicht we­niger schädlich ist?
  • Kann die übertriebene Angst von Erziehern vor körperlicher Berührung von Kindern im Genitalbereich eine mögliche Ur­sache für Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs sein? Soll­ten Erzieher vielleicht weniger Angst vor solchen Berührun­gen haben?

Man könnte es vielleicht auch einfacher zusammenfassen. Wir brau­chen eine solide Definition: Was ist eigentlich sexueller Missbrauch? Warum wird er heute – in allen Formen – als schädlich angesehen?

Zusammenfassend schlage ich der Kommission vor bzw. bitte um: 

  1. Aufarbeitung der Bewegung „Missbrauch-mit-dem-Missbrauch“ aus Sicht von Opfern und Überlebenden. Diese Kampagne findet sich im Briken-Artikel repräsen­tiert durch Sätze wie: „Folgt man der Missbrauchsdiskussion, lauert hinter allen möglichen Ereignissen und Situationen die gefährliche, meist männliche Sexualität.“ (Gerne stelle ich meine hierzu veröffentlichten Ergebnisse der Kommission zur Verfügung.)
  1. Erarbeitung einer Definition sexuellen Missbrauchs und einer Erklärung der Schädlichkeit jeglichen sexuellen Missbrauchs unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Wissenschaft (Trauma-, Bindungs-, Hirnforschung) und therapeutischer Praxis.

Eine klare, fundierte Aussage zu diesen Fragen, über die offenbar noch keinesfalls Klarheit vorausgesetzt werden darf, wäre für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung sicher hilfreich.

Mit freundlichen Grüßen

Martha Schalleck, Staufenberg im Dezember 2016


www.rotkaeppchens-schweigen.de
www.martha-schalleck.de
www.falsche-erinnerungen.de
www.false-memory-syndrome.de

6 Kommentare zu “Die Aufarbeitungs-Kommission hat Eigenbedarf an Aufarbeitung

  1. Ich habe diesen Artikel in meinem Blog „Lotoskraft“ rebloggt. Dort habe ich bereits Anfang November die UAKSK aus anderen Gründen kritisiert (siehe hier). Hierbei ging es mir um die zu große Nähe, des die Untersuchung leitenden Sozialwissenschaftlichen FrauenForschungsInstitut Freiburg (SoFFI F.) zu den „Genderwissenschaften“ und zur evangelischen Kirche.

    Ich reblogge den offenen Brief, obwohl ich seiner Verfasserin Martha Schalleck wegen ihrer Verschwörungstheorien äußerst skeptisch gegenüberstehe, denn in ihm werden in der Tat skandalöse Einstellungen des Kommissionsmitgliedes Peer Briken angesprochen und aufgedeckt. Skandalös ist auch, dass es die UAKSK bislang nicht für nötig hält hierzu Stellung zu beziehen.

    Im übrigen ist es, um die Ausführungen von Schalleck zu ergänzen, Traumatherapeuten durchaus bekannt, dass erinnerte sexualisierte Gewalt, die dem damaligen Opfer als solche noch nicht bewusst waren, weil es sie noch gar nicht als Gewalthandlungen erfassen konnte, mit zunehmender Persönlichkeitsreife – oft erst nach Jahrzehnten – in ihrer perfiden Dimension erhellen und eine Posttraumatisierung auslösen können.

    Der offene Brief steht zudem hier online.

    Der Aufsatz von Peer Briken und Hertha Richter-Appelt auf den sich der offene Brief bezieht ist hier nachzulesen.

    Im Grunde weist Schalleck in ihrem offenen Brief auf die auch von mir immer wieder angeprangerten bestehenden Strukturen des gesellschaftlichen Missbrauches hin. Dass diese Strukturen selbst unverstanden bis hinein in die institutionelle Abwehr von sexuellem Kindesmissbrauch wirkt und dort auch dann nicht gebannt werden, wenn man die damit Beauftragten darauf hinweist, ist für mich unverständlich und eine weitere Dimension dieses Skandals. Siehe auch meine wiederholte Kritik am UBSKM.

    In diesem institutionellen entstehen dann auch Feststellungen wie diese von Susanne Achterberg aus „Das sexuell kompetente Kind und Sexualität als Grenze zwischen Kindern und Erwachsenen“ (Link zum pdf):

    Selbst wenn Pädophile dem Kind eine aktive Rolle bei der sexuellen Verführung attestieren, wie es etwa in der Darstellung der Lolita im Roman von Vladimir Nabokov (1955) geschieht, bedienen sie sich der generationalen Hierarchie. Denn diese kindliche Kompetenz basiert allein auf sexueller Neugierde und gerade nicht auf langjährigen sexuellen Erfahrungen und Routinen. Das pädophile Begehren richtet sich auch in diesem Falle auf das sexuelle „Noch-Nicht“, d.h. also auf die sexuelle Unberührtheit des Kindes. Gleichwohl unterscheidet sich das verführende Kind deutlich vom sexuell passiven: bei ihm schlägt die Gefährdetheit um in Gefährlichkeit. Die „sexuelle Macht“ des Kindes wird in diesem Fall so hoch veranschlagt, dass der Erwachsene durch sie gezwungen werden kann, Gesetze und Tabus zu brechen. Letztlich lebt also auch hier die Vorstellung weiter, wonach die kindliche Sexualität unsozialisiert ist und aus diesem Grund die gesellschaftliche Ordnung sprengen kann.

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  2. Hat dies auf Lotoskraft rebloggt und kommentierte:
    Ich habe diesen Artikel in meinem Blog „Lotoskraft“ rebloggt. Dort habe ich bereits Anfang November die UAKSK aus anderen Gründen kritisiert (siehe hier). Hierbei ging es mir um die zu große Nähe, des die Untersuchung leitenden Sozialwissenschaftlichen FrauenForschungsInstitut Freiburg (SoFFI F.) zu den „Genderwissenschaften“ und zur evangelischen Kirche.

    Ich reblogge den offenen Brief, obwohl ich seiner Verfasserin Martha Schalleck wegen ihrer Verschwörungstheorien äußerst skeptisch gegenüberstehe, denn in ihm werden in der Tat skandalöse Einstellungen des Kommissionsmitgliedes Peer Briken angesprochen und aufgedeckt. Skandalös ist auch, dass es die UAKSK bislang nicht für nötig hält hierzu Stellung zu beziehen.

    Im übrigen ist es, um die Ausführungen von Schalleck zu ergänzen, Traumatherapeuten durchaus bekannt, dass erinnerte sexualisierte Gewalt, die dem damaligen Opfer als solche noch nicht bewusst waren, weil es sie noch gar nicht als Gewalthandlungen erfassen konnte, mit zunehmender Persönlichkeitsreife – oft erst nach Jahrzehnten – in ihrer perfiden Dimension erhellen und eine Posttraumatisierung auslösen können.

    Der offene Brief steht zudem hier online.

    Der Aufsatz von Peer Briken und Hertha Richter-Appelt auf den sich der offene Brief bezieht ist hier nachzulesen.

    Im Grunde weist Schalleck in ihrem offenen Brief auf die auch von mir immer wieder angeprangerten bestehenden Strukturen des gesellschaftlichen Missbrauches hin. Dass diese Strukturen selbst unverstanden bis hinein in die institutionelle Abwehr von sexuellem Kindesmissbrauch wirkt und dort auch dann nicht gebannt werden, wenn man die damit Beauftragten darauf hinweist, ist für mich unverständlich und eine weitere Dimension dieses Skandals. Siehe auch meine wiederholte Kritik am UBSKM.

    In diesem institutionellen entstehen dann auch Feststellungen wie diese von Susanne Achterberg aus „Das sexuell kompetente Kind und Sexualität als Grenze zwischen Kindern und Erwachsenen“ (Link zum pdf):

    Selbst wenn Pädophile dem Kind eine aktive Rolle bei der sexuellen Verführung attestieren, wie es etwa in der Darstellung der Lolita im Roman von Vladimir Nabokov (1955) geschieht, bedienen sie sich der generationalen Hierarchie. Denn diese kindliche Kompetenz basiert allein auf sexueller Neugierde und gerade nicht auf langjährigen sexuellen Erfahrungen und Routinen. Das pädophile Begehren richtet sich auch in diesem Falle auf das sexuelle „Noch-Nicht“, d.h. also auf die sexuelle Unberührtheit des Kindes. Gleichwohl unterscheidet sich das verführende Kind deutlich vom sexuell passiven: bei ihm schlägt die Gefährdetheit um in Gefährlichkeit. Die „sexuelle Macht“ des Kindes wird in diesem Fall so hoch veranschlagt, dass der Erwachsene durch sie gezwungen werden kann, Gesetze und Tabus zu brechen. Letztlich lebt also auch hier die Vorstellung weiter, wonach die kindliche Sexualität unsozialisiert ist und aus diesem Grund die gesellschaftliche Ordnung sprengen kann.

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  3. Sehr geehrter Lotosritter, vielen Dank für Ihren Kommentar. Vielleicht können Sie mir ja noch weitere Informationen über Frau Achterberg zukommen lassen, und aus welchem Grund sie hier zitiert wird. Derlei „schräge“ Bilder und Theorien, die letztlich auf eine Rechtfertigung oder Verharmlosung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hinauslaufen, gibt es ja leider zuhauf.
    Ich habe Ihren Kommentar trotz Ihrer Aussage veröffentlicht, Frau Schalleck sei Ihnen „suspekt“ wegen ihrer „Verschwörungstheorien“. Mir ist der respektvolle Umgang miteinander sehr wichtig, und auch die Solidarität zwischen Betroffenen. Dazu gehört es, solche Formulierungen zu vermeiden. „Verschwörungstheorien“ sollten gerade Betroffene nicht anderen Betroffenen vorwerfen. Das ist die Keule, mit denen man gerne gesagt bekommt, es sei doch alles gar nicht so schlimm, und man sei bloß paranoid, da selbst betroffen.

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  4. Zur These, es handele sich um „Verschwörungstheorien“, wenn über organisierte sexuelle Ausbeutung/rituelle sexuelle Gewalt/sektenähnlichen sexuellen Missbrauch gesprochen wird: Personen, die so etwas als „satanisch“ darstellen, bekommen genauso viel öffentliche Aufmerksamkeit, wie ihnen eine unzureichende Glaubwürdigkeit zugeschrieben wird. Das Phänomen ist vielschichtig, ein Teil davon hat auch (pseudo-)religiöse Anklänge, mit denen die eigentliche sadistisch-kriminelle Absicht übertüncht werden soll. „Rituelle sexuelle Gewalt“ aber auf „Satanskult“ einzuengen, spielt nur den Personen in die Hände, die diese widerlichen Formen der Kinderquälerei betreiben. Die lassen sich viel einfallen, um jeglicher Verdächtigung zu entgehen. Unter Anderem, indem sie Betroffene, die sich befreien konnten und deren HelferInnen dadurch als Spinner und Lügner erscheinen lassen, dass sie einige, zutiefst beschädigte Opfer auftreten lassen, die diese Effekte durch ihr Agieren, ihre Erscheinung und die Geschichten, die sie erzählen erzeugen sollen.

    Es handelt sich bei „organisierte sexuelle Ausbeutung/rituelle sexuelle Gewalt/sektenähnlicher sexueller Missbrauch“ zwar um einen sehr sperrigen Begriff, aber ich betrachte ihn als den, der am umfassendsten und treffensten benennt, um was es eigentlich geht.

    Halten wir uns vor Augen, dass die Produktion von „Kinderpornografie“ (korrekt „Kinderfolterdokumente) und die „Kinderprostitution“ (korrekt „Kinderhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“) in ihren perversesten Ausprägungen insbesondere bei den Tätergruppen, die sich einen „satanischen“ Anstrich geben, eine entscheidende Rolle spielen, dann wird aus der Verschwörung etwas ganz nahe liegendes und auf groteske und schreckliche Weise banales. Sobald sich mindestens drei Personen verabreden, um gemeinsam Verbrechen zu begehen, spricht man von Bandenkriminalität. Die Verknüpfungen in Richtung Drogenhandel, Geldwäsche, Betrug und Politverbrechen, die die „Kinderprostitution“ kennzeichnen, sind nämlich eigentlich ganz logisch, wenn man sich vor Augen hält, wie die Mehrzahl der MissbrauchstäterInnen tickt, insbesondere wenn bei diesen Personen die psycho- und soziopathischen Anteile im Vordergrund stehen.

    Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn sich Menschen, die sich gegen Kinderhandel einsetzen und die, welche Opfern helfen, aus dem, was gemeinhin als „rituelle Gewalt“ bezeichnet wird auszusteigen, in Zukunft stärker vernetzen. Erste Anfänge gibt es schon. Beide Gruppen haben es sehr schwer, Unterstützung zu finden, besonders politische. Eine Zusammenarbeit gäbe dem Thema mehr Gewicht und es wäre leichter, sich gegen diese ganz spezielle und hoch gefährliche Sorte von „IM“s zu behaupten, die sich überall dort einfinden, wo es um Kinderschutz und Opferhilfe geht.

    Viele Grüße von
    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick

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    • Vielen Dank, Frau Oetken für diesen Kommentar und die Einordnung des Phänomens „ritualisierte sexuelle Gewalt“. Sie schreiben: „Zur These, es handele sich um „Verschwörungstheorien“, wenn über organisierte sexuelle Ausbeutung/rituelle sexuelle Gewalt/sektenähnlichen sexuellen Missbrauch gesprochen wird“. Ich möchte anmerken, dass hier bisher nirgends in Bezug auf diese Erscheinungsformen organisierter Kriminalität von „Verschwörungstheorie“ die Rede war. Dass Frau Schalleck sich mit dem Phänomen auseinander setzt, wusste ich gar nicht. Aber es ist richtig und wichtig darauf hinzuweisen, dass das Etikett „satanisch“ eher dazu geeignet ist, diese Erscheinungsformen organisierter sexualisierter Gewalt zu mystifizieren und ins Reich der Paranoia zu verweisen.

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  5. Ich habe den Blogbeitrag heute noch einmal mit großem Interesse und wachsendem Zorn gelesen. Denn seit einem Jahr steht dieser offene Brief online. Geschehen ist nichts. Keine Reaktion der UKASK oder des UBSKM. Hier bestätigt sich meine Skepsis zu der leider notwendigen in der Praxis leider auch oft unguten Nähe der beider Gremien zur Politik und zur internen Kumpanei. Jedenfalls halte ich es für ein Gemauschel, dass Briken mit einer Studie zur rituellen Gewalt beauftragt wurde.

    Der Studienleiter, Prof. Dr. Peer Briken, ist Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Studie wird durch eine Zuwendung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) finanziert.

    Auch Richter-Appelt arbeitet an dieser Studie mit.

    Dabei wird für die Studie der Begriff rituelle Gewalt weiter gespannt, als üblich:

    Wenn organisierte Gewalt mit einer (schein-)ideologischen oder religiös geprägten Rechtfertigung oder Sinngebung erfolgt (z.B. in satanistischen oder faschistischen Gruppierungen; Sekten oder Kulten), bezeichnen wir diese Gewaltform als rituelle Gewalt.

    Demnach wären auch die Misshandlungen und Übergriffe in der vom AA und Franz-Josef Strauß geförderten Colonia Dignidad rituelle Gewalt. Inwieweit diese Studie letztlich hinter den Erkenntnissen der Kriminalistin Petra Hasselmann, die mit ihrem aktuellen Buch „‘Rituelle Gewalt‘ und Dissoziative Identitätsstörung: Eine multimethodale Untersuchung zu Erwartungshaltungen an Akteure im Hilfesystem“ eine fundierte Studie zum Thema vorgelegt hat, zurückbleiben oder sie ergänzen, bleibt abzuwarten.

    Meine Meinung zum Nutzen dieser Studie und zur fragwürdigen Rolle von Peer Briken habe ich in meinem Blog bereits kundgetan ((siehe hier). Ich meine, dass hier ein Interessenkonflikt zwischen seiner Teilhabe bei der UKASK besteht, der nur durch sein Ausscheiden behoben werden kann.

    Briken hat inzwischen für Betroffene einen offenen Fragebogen zur Studie ins Netz gestellt ((siehe hier). Ich nehme nicht an, dass all jene, die den Fragebogen ausfüllen, eine Ahnung haben werden, welch ambivalente Position Briken und Richter-Appelt in der Frage sexuellen Kindesmissbrauchs vertreten. Politisch gesehen ist dies ebenso inkorrekt, wie das jüngste Hearing zum Kindesmissbrauch in der DDR der UKASK – veranstaltet in Leipzig – zu dem sich die Amadeo-Antonio-Stiftung, mit der der UBSKM kooperiert, mit keinem Wort geäußert hatte; so wie die AAS bislang auch noch nie Stellung zum diesem Thema bezog, obgleich ihre Vorsitzende Kahane als IM Victoria tief in das Unrechtsystem der DDR verstrickt war und aus eigener Sachkenntnis einiges über die Opfer ihrer Denunziationen hätte beitragen können. Denn die Kindswegnahme bei Regimekritikern war eine übliche Sanktion. Diese Kinder aber kamen überwiegend in Heime in denen Gewalt und Missbrauch herrschte. – Dies ist nur eine weitere Marginalie zum Gemauschel, das bei zu großer Nähe des UBSKM zur Politik entsteht.

    Der im offenen Brief erwähnte Aufsatz von Briken und Richter-Appelt findet sich aktuell auf diesem Link.

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