talking about sexual trauma

Our civilizations are traumatized by sexual violence. A poison we should neutralize by talking


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„Wir alle müssen im Alltag hinschauen, zuhören und nachfragen“

Dixit unser Bundespräsident Walter Steinmeier, bei einem Treffen mit Vertretern des „Nationalen Rates gegen sexuelleGewalt an Kindern und Jugendlichen“ in Berlin.

https://www.sueddeutsche.de/politik/kinderpornografie-sexuelle-gewalt-kindsmissbrauch-frank-walter-steinmeier-bundespraesident-digitale-medien-kinder-1.5338406

Sein Wort in unser aller Ohren. Ich bin froh, dass auch er das gesagt hat; wir Betroffenen sagen das schon länger.

Wir sagen es nicht nur, wir probieren es aus, Menschen so weit zu bringen. Ich seit so etwa 15 Jahren. Ein Spaß ist das ja nicht. Eines kann ich sagen: Mit Aufrufen ist es nicht getan. Aber sie sind ein Anfang, kein Zweifel.

Am Tag von Steinmeiers Rede stoße ich auf Twitter auf diesen Tweet, in dem eine Betroffene formuliert, wie ihre Gesprächspartner*innen von ihr verlangen, sie möge ihre Sichtweise auf die erlebte Sexuelle Gewalt ändern.

https://mobile.twitter.com/drcalmwarrior/status/1410157217664454656
Und wenn nicht unsere Sichtweise, dann wenigstens unsere Erzählungen.

Diese Einwürfe reichen von „Das war bestimmt alles nur ein Missverständnis“ über „so schlimm war es nun auch wieder nicht“ zu „sich so viel damit zu befassen, tut nicht gut“.

Wenn ich so zurück sehe, sehe ich auch Fortschritte. Ich sehe aber auch Beharren. Die Schweigegebote, sagen wir mal, werden subtiler. Sie müssen sich mehr Mühe geben. So einfach ist es nicht mehr. Oder? Doch. Ist es. Es schweigen ja die allerüberwiegende Mehrheit der von Missbrauch in Kindheit oder Jugend Betroffenen. Damit schaden sie sich selbst, machen sich Leben und Gemüt schwer. Sie tun es wohl kaum aus Dummheit oder Faulheit. Und das muss aufhören. Wir sind Millionen. Millionen, denen es sehr viel besser gehen könnte, wenn man aufhören würde, zu tabuisieren, was uns geschehen ist.

Nein. Es ist keine Frage besser Therapien, jedenfalls nicht nur und nicht einmal hauptsächlich, wie auch hier jemand formuliert:

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Auszug der verlorenen Töchter

Die Wüste erwartet uns

Wenn wir uns aus der Oase schleppen

Um das Kuckucksküken

Endlich auszuhungern

Voller Entsetzen

Die Unseren zurücklassend

Die wir nicht retten können

Mit dem Mark unseres Herzens nicht,

das wir als Atzung hingaben

Den Mund so voll Schatten,

dass uns der Kiefer stockt

bringen wir das Herz zum Schweigen,

und tasten nach unserer Zunge

Quittieren den Dienst

von niemandem erhört,

erklären für herrenlos

den bislang unerhobenen

Bleimantel aus Schuld

Wieder und wieder

befragen wir die windgetriebenen

Muster im Sand

nach etwas wie Gesetz

Krempeln die Ärmel hoch

zählen unsere Male

Niederlage um Niederlage

schreiben alle Hoffnung ab

und beginnen mit der Revision

downsizen unsere Folterknechte

Vater Mutter Kind

auf ihre Erbärmlichkeit

Erkennen

das Gebot der Schmerzen

nicht mehr an.

Dieses Gesdicht ist inspiriert von Rilkes Gedicht „Auszug des verlorenen Sohnes“.

http://rainer-maria-rilke.de/080013verlorenersohn.html


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Somatic Experiencing – eine Annäherung

„Mit der bequemen Abkürzung PTBS – Posttraumatisches Belastungs-Syndrom, die im Dienste wissenschaftlicher Leidenschaftslosigkeit steht, hat man die archetypische Reaktion auf Gemetzel von ihren rasenden Ursprüngen künstlich abgeschnitten“.

„Für Traumatisierte ist es nicht in Ordnung, sich so zu fühlen, wie sie sich fühlen, weil ihr Körper für sie zum Bewahrer von Schrecken und Entsetzen geworden ist.“

(Peter Levine, Sprache ohne Worte. Münschen 2010,  S. 175)

Die meisten von Krankenkassen finanzierten Therapien setzen über den Intellekt an, beim Denken. Es wird Ursachenforschung betrieben und / oder an konkreten Verhaltensweisen gearbeitet, meist über Gespräche, manchmal auch mit konkreten Übungen. Der Körper bleibt allermeist außen vor. Diese Ansätze sind hilfreich aber in den vergangenen Jahren hatte ich den Eindruck, dass sie bei mir an ihre Grenzen gestoßen sind. Also habe ich mich mit „Somatic Experiencing“ beschäftigt, zunächst durch Lektüre, und hatte jetzt auch einige Sitzungen bei einer erfahrenen Therapeutin.  Von der Lektüre und meinen Erfahrungen werde ich ein wenig berichten.

Nach der Lektüre von Levine, einem der wichtigsten Forscher und Vertreter des Ansatzes „Somatic Experiencing“ würde ich sagen: In meinem Kopf herrscht gute Ordnung. Die Leitlinie „gewaltfrei und in förderlichen, konstruktiven Beziehungen leben (privat und sonst auch)“ führt sehr weit, auch in der Betrachtung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen. Da ist dann vieles in Frage zu stellen und zu ändern. Das führt weit.

Das gelingen zu sehen, vermittelt ein Gefühl von Stärke und Selbstbestimmtheit.

In meinem Körper hingegen herrscht ziemliches Chaos. Der Wechsel zwischen Stress und Ruhe ist völlig durcheinander, schier ein Ding der Unmöglichkeit; früher gab es nur durch Zusammenbrechen nach totalem Auspowern Ruhe; und Entspannung bedeutete (und bedeutet oftmals heute noch): Zeit für weitere Trauma-Verarbeitung; sobald auch nur ein wenig Zeit und Energie da ist, drängt alles mögliche hoch. Was dann nicht erholsam, sondern total anstrengend ist. Weiterlesen


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80 Millionen € für Forschung – und die Betroffenen?

„Um die Arbeit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt sowie vor Vernachlässigung und Missbrauch auf eine fundierte Basis stellen zu können, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2011 rund 63 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und ist auf dem Weg, eine auch international sichtbare Forschungslandschaft aufzubauen, aus der wirkungsvolle Beiträge für die Praxis hervorgehen sollen.“

https://www.bmbf.de/de/schutz-von-kindern-und-jugendlichen-vor-sexueller-gewalt-1241.html

Weitere 16 Millionen Euro wurden zusätzlich ab 2016 zur Verfügung gestellt. Als wichtigstes Ziel wird genannt (oder zumindest ist es das Einzige, das eine Unter-Überschrift im Text wert ist): „Schuztkonzepte entwicklen“.

Schutzkonzepte zu entwickeln ist sehr wichtig.

Was aber ist mit den geschätzten 8 Millionen Menschen, die als Kinder oder Jugendliche bereits Opfer sexueller Übergriffe wurden; mit den geschätzten 1 Million Kindern, die, auch sie, Opfer von Übergriffen wurden – oder sind? Weiterlesen


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„False Memory Syndrom“ – eine Entgegnung

Es ist eines dieser Ungeheuer von Loch Ness der Presse-Landschaft: Das False-Memory-Syndrom. Aus welcher Ecke es jeweils lanciert wird, dürfte das Wissenswerteste sein, was diese Artikel angeht. Eine geneigte Leserin dieses Blogs hat mir erlaubt, ihren Kommentar an den „Spiegel“ dazu hier zu veröffentlichen.
Wieso eigentlich jetzt gerade das wieder? Merkwürdigerweise kam ja gerade eine weitere interessante Meldung:
Ein Schelm, wer da irgendetwas denkt?
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Entsetzen habe ich den Artikel „Wenn die Tochter dem Vater plötzlich Missbrauch vorwirft“ von Jutta Jüttner gelesen. Selten habe ich im Spiegel oder Spiegel Online einen Artikel gelesen, der ein derart sensibles Thema so einseitig und schlecht recherchiert darstellt.
Dieses „Syndrom“ ist nämlich keinesfalls unumstritten, es ist auch nicht wissenschaftlich anerkannt. Außerdem wird es häufig benutzt, um TäterInnen zu schützen und Opfer sexuellen Missbrauchs zu diskreditieren. Wird so ein Thema dennoch journalistisch aufbereitet, dann erwarte ich, dass die Kritikpunkte und Ungereimtheiten des „Syndroms“ benannt und diskutiert werden. Dies ist leider nicht geschehen.
Im Folgenden führe ich einzelne Kritikpunkte aus:

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Die altmodische Feministin sind SIE, Catherine!

„nein, liebe Catherines, ungeschickte Anmache ist kein Delikt, genauso wenig aber ist ein erigierter Penis, der in der Metro gegen einen Frauenschenkel gepresst wird, ein Ausdruck dieses berühmten gallischen erotischen Esprits, den man wohl wirklich schleunigst auf die UNESCO-Liste der immateriellen Welterbe setzen sollte, bevor die #MeToos ihn ausrotten.“ (Fiona Schmidt, s.hier http://cheekmagazine.fr/contributions/cheres-catherines-reponse-tribune-monde-fiona-schmidt/)

Fiona Schmidt ist auch Französin, wenn auch nicht so berühmt wie Catherine Deneuve, die den Aufruf der 100 gegen #MeToo ebenfalls unterschrieben hat. Leider steht sie auch nicht so prominent für aufregende Weiblichkeit wie Deneuve. Das Zitat habe ich gewählt, weil es das ausdrückt, was mir wichtig ist: Deneuve und Konsorten beanspruchen für sich, den französischen erotischen Esprit zu repräsentieren, und das nimmt man ihnen leider ab. Sie repräsentieren aber leider eigentlich etwas ganz anderes: Eine repressive und autoritäre Auffassung von Sexualität. Weiterlesen


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Buchtipp: „Das verfolgte Selbst“

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Der Titel sprach mich an, weil er mein Lebensgefühl als Kind und Jugendliche ausdrückte: Mein Selbst wurde verfolgt. Gewalt und Missbrauch waren die Mittel, gar nicht erst ein Selbst bei diesem Kind – mein eigenes Selbst – stark werden zu lassen, sondern es sich möglichst rabiat selbst zu entfremden und es total zu desorientieren, um es desto leichter lenken und manipulieren zu können.

Das ist, was ich schon damals instinktiv wußte: Dass es meinen Peiniger/innen eigentlich darum ging. Dass das u.a. deswegen ihr Ziel war, weil sie selbst so leer waren, und die Leere irgendwie füllen mussten, aus der immer wieder mal ein Zombie sich emporzustrecken drohte – nämlich das geschundene Kind, das sie mal waren – das zu begreifen habe ich dann noch sehr lange gebraucht. Von dem Buch erhoffte ich mir also etwas ganz Anderes als das, was es enthält: Ich wollte wissen, warum das Selbst so vieler Kinder verfolgt wird. Und was das bedeutet, Millionen ehemals verfolgter Selbst(e?s?) als Mitglieder unserer Gesellschaft zu haben.

Das Buch berichtet aber eher vom Stockholm-Syndrom dieser verfolgten „Selbste“: Wie Kinder, die Misshandlungen ausgesetzt sind, brav selbst die störenden Anteile bei sich selbst unterdrücken, so wie die übergriffigen Erwachsenen das ihnen ja beibringen, indem sie sie dazu zwingen. Dass das leider nicht automatisch endet, wenn man / frau erwachsen ist, und wie hilfreich und bereichernd es ist, damit aufzuhören Weiterlesen